BESCHWERDE AN DAS LANDESVERWALTUNGSGERICHT

Gegen den in zweiter Instanz (vom Gemeinderat) erlassenen Bescheid ist - an Stelle der bisherigen Vorstellung an die Aufsichtsbehörde - die Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht zulässig.
Die Beschwerde wird in einem sog. „Beschwerde-Vorverfahren“ und gegebenenfalls anschließend in einem „Verfahren vor dem Verwaltungsgericht“ behandelt.
Im Verfahren nach der BAO gelten gesonderte Bestimmungen.


Das Verfahren des Landesverwaltungsgerichtes


1. Die Beschwerde
1.1. Gegen den Bescheid des Gemeinderates kann Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht erhoben werden (Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG).
Die Frist zur Erhebung der Beschwerde beträgt vier Wochen; sie beginnt dann, wenn der Bescheid dem Beschwerdeführer (Bf) zugestellt wurde, mit dem Tag der Zustellung (wenn der Bescheid nur mündlich verkündet wurde, mit dem Tag der Ver­kün­dung). Die Beschwerde ist bei der belangten Behörde (Einbringungsstelle: Gemeindeamt) einzubringen. Im Falle der Einbringung der Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht, wird diese „auf Gefahr des Einschreiters“ (Versäumung der Beschwerdefrist) an die belangte Behörde weitergeleitet.

1.2. Die Beschwerde hat zu enthalten:
• die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides,
• die Bezeichnung der belangten Behörde,
• die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,
• das Begehren und
• die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Be­schwer­de rechtzeitig eingebracht ist.


1.3. Eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde hat aufschiebende Wirkung; diese kann die Behörde mit (gesondertem) Bescheid aus­schließen, wenn - nach den bisher schon für Berufungen geltenden Voraussetzungen - der vorzeitige Vollzug dringend geboten ist. (Ein solcher Bescheid darf nur bis zur Vorlage der Akten an das Verwaltungsgericht erlassen werden.) Gegen einen solchen Bescheid kann ebenfalls Beschwerde an das Verwaltungsgericht erhoben werden; diese Beschwerde hat keine aufschiebende Wirkung.


1.4. Sofern die Beschwerde nicht als verspätet oder unzulässig zu­rückzuweisen ist, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten unverzüglich vorzulegen.


1.5. Nachdem das Verwaltungsgericht über die Beschwerde entschie­den hat, sind der Behörde die Akten des Verfahrens zurückzuste­len, wenn die Behörde von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung nicht absieht.

2. Das Vorverfahren
2.1. Das Vorverfahren erstreckt sich von der Einbringung der Beschwer­de bis zur Vorlage der Beschwerde an das Verwaltungsgericht. Dieses Vorverfahren ist von der belangten Behörde (Gemeinderat) - gleichsam in Hilfestellung für das Landesverwaltungsgericht - zu führen. Sie ist ermächtigt, den angefochtenen Bescheid (nach Art einer Berufungsvorentscheidung) aufzuheben, abzuändern oder eine Entscheidung nach Erhebung der Säumnisbeschwerde nachzuholen. Hiebei hat sie - abgesehen von gegenteiligen Anordnungen - jene Verfahrensvorschriften anzuwenden, die sie in dem der Beschwerde vorangegangenen Verfahren Beschwerde anzuwenden hatte.
Alle Schriftsätze in diesem Verfahren sind bei der belangten Behörde (Gemeinderat) einzubringen. Unter einem Schriftsatz sind die Beschwerde und alle anderen Anträge, Gesuche und sonstigen Mitteilungen zu verstehen (ausgenommen sind Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt - Art. 132 Abs. 2 B-VG - ; diese sind unmittelbar beim Verwaltungsgericht einzubringen).


2.2. Die Beschwerdevorentscheidung
Es steht der Behörde frei, innerhalb von zwei Monaten in Form der Beschwerdevorentscheidung
• den angefochtenen Bescheid aufzuheben oder abzuändern oder
• die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen.
Hiebei ist sie (gem. dem sinngemäß anzuwendenden § 27 VwGVG) an den Inhalt der Beschwerde (und zwar an die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, und an das explizite Begehren des Bf) gebunden.
Jede Partei kann binnen zwei Wo­chen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde (beim Gemeinderat) den Antrag stellen, dass die von ihr eingebrachte Beschwer­de dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Will die Behörde jedoch von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absehen, hat sie - ebenfalls innerhalb von zwei Monaten - dem Landesverwaltungsgericht die Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.


2.3. Der Vorlageantrag
Mit Einlangen des Vorlageantrages tritt die Beschwerdevorentscheidung - anders als im Falle der Berufungsvorentscheidung - nicht außer Kraft; sie ist zwar (auch) Gegenstand des Ver­fahrens vor dem Landesverwaltungsgericht, doch entscheidet dieses iS des Art. 132 Abs. 1 B-VG insgesamt über die gem. § 15 Abs. 1 VwGVG zur Entscheidung vorgelegte Beschwerde gegen den iS des § 27 VwGVG zu überprüfenden angefochtenen Bescheid.


2.3.1. Ein rechtzeitig eingebrachter und zulässiger Vorlageantrag hat aufschiebende Wirkung, wenn die Beschwerde
• von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hatte und die Behörde diese nicht ausgeschlossen hat (etwa mittels gesonderten Bescheides oder schon in den dem über die Hauptsache ergangenen Bescheid);
• von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung hatte, die Behörde diese jedoch zuerkannt hat.


2.3.2. Verspätete und unzulässige Vorlageanträge sind von der Behörde (vom Gemeinderat) mit Bescheid zurückzuweisen; wird gegen einen solchen Bescheid Beschwerde - die beim Gemeinderat einzubringen ist - erhoben, hat der Gemeinderat dem Landesverwaltungsgericht unverzüglich die Akten des Verfahrens vorzulegen.

3. Die Säumnisbeschwerde
Wenn die Behörde (der Gemeinderat) eine Sache nicht innerhalb von sechs Monaten - wenn in den Bundes- oder Landesgesetzen eine kürzere oder längere Frist festgesetzt ist, innerhalb dieser - entschieden hat, dann kann eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG erhoben werden (Säumnisbeschwerde gem. § 8 Abs. 1 VwGVG). Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sach­ent­schei­dung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war; im Falle der Weiterleitung an die zuständige Stelle (§ 6 AVG) beginnt die Frist daher mit dem Einlangen bei der zuständigen Behörde zu laufen.
Die Behörde hat allerdings die Möglichkeit, die unterbliebene Erlassung des Bescheides innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten (ab Einlangen der Säumnisbeschwerde bei der belangten Behörde) zu erlassen. Wird der Bescheid fristgemäß erlassen oder wurde er vor Einleitung des Beschwer­de­verfahrens erlassen, ist das Verfahren - und zwar durch die Behörde - einzustellen.
Holt die Behörde den Bescheid nicht nach, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens (innerhalb von drei Monaten ab Einlangen der Säumnis­beschwerde bei der belangten Behörde) vorzulegen.

4. Das Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht:
Dies ist das Verfahren ab Vorlage der Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht bis zum Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes.
Im Verfahren über Beschwerden gem. Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG sind folgende Bestimmungen sinngemäß anzuwenden:
• das AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 (sachliche und örtliche Zuständigkeit) sowie des IV. Teiles (Rechtsschutz: Berufung - Abänderung von Bescheiden - Wiederaufnahme des Verfahrens - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - Entscheidungspflicht),
• die Bundesabgabenordnung (BAO)
• das Agrarverfahrensgesetz
• das Dienstrechtsverfahrensgesetz 1984 und
• jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die die Behörde in jenem Verfahren angewendet hat (oder anzuwenden gehabt hätte), das dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorangegangen ist.

Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG kann das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung durch Beschluss ausschließen.
Das Verwaltungsgericht kann auch Bescheide der Behörde, mit denen diese den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Beschwerden entschie­den hat sowie ihre eigenen Beschlüsse auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn es die Voraussetzungen der Zuerkennung bzw. des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung anders beurteilt oder wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über den Ausschluss bzw. die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde maßgebend waren, wesentlich geändert haben.

Über Beschwerden gem. Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht - sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist - durch Erkenntnis „in der Sache selbst“ zu entscheiden, wenn
• der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Art. 130 Abs. 4 Z 1 B-VG) oder
• die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Art. 130 Abs. 4 Z 2 B-VG),
• (auch) wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und
• unter der Voraussetzung, dass die Behörde (bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die we­sent­li­che Vereinfachung oder Be­schleunigung des Verfahrens) der Ent­schei­dung durch das Verwaltungsgericht (in der Sache) nicht widerspricht.
Verhindert also die belangte Behörde durch ihren Widerspruch die Entscheidung durch das Verwaltungsgericht, dann entscheidet es ebenfalls „in der Sache selbst“, und zwar in Form einer „negativen Sachentscheidung“, indem es den Bescheid ersatzlos aufhebt (s. RV 1618 d.Blg. XXIV. GP, 8. Absatz, 3. Unterabsatz, zit. in den EB zu Art. 130 B-VG)

5. Verfahren über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht
Das Verwaltungsgericht kann der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigenden Frist zu erlassen. Die Behörde ist hiebei an die im Erkenntnis - hinsichtlich einzelner maßgeblicher Rechtsfragen - festgelegte Rechtsanschauung gebunden. Kommt die Behörde diesem Auftrag nicht nach, so entscheidet das Verwaltungsgericht durch Erkenntnis in der Sache selbst.

6. Gemeinderevision und außerordentliche Revision
Der Gemeinderat ist - als belangte Behörde - Partei im Sinne des § 8 AVG. Er kann gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes wegen Rechtswidrigkeit Revision erheben.
Eine außerordentliche Revision ist dann zulässig, wenn das Verwaltungsgericht im Erkenntnis ausgesprochen hat, dass die Revision nicht zulässig ist; in diesem Falle hat die Revision darüberhinaus - also „gesondert“ - die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision dennoch für zulässig erachtet wird.
Da der Gemeinderat Partei im Sinne des § 8 AVG, aber auch Partei des aufsichtsbehördlichen Verfahrens ist, wird das Beschwerdeverfahren ausführlich im Abschnitt „Schutz der Selbstverwaltung (§ 94) behandelt.